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Dolce Vita

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Kunstvermittlung ganz nah

26.05.2020 - Praxis

Der Frauenfelder Künstler Fredi Buchli stellte vom 28. Februar bis 15. März 2020 seine Werke in der Stadtgalerie Baliere in Frauenfeld aus. Leider musste die Ausstellung wegen der Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus frühzeitig abgebrochen werden.

Der Titel seines Projektes lautete: WAS IST EIN GUTES LEBEN? Im Rahmen eines Atelierstipendiums verbrachte der Künstler drei Monate in Genua. Dort hat er sich vertieft mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt. Er hat sich mit Menschen in Genua über ihre Lebensthemen unterhalten, und immer wieder hat er auch sich selbst die Frage nach dem GUTEN LEBEN gestellt.

Während den drei Monaten in Genua hat Fredi Buchli 90 kleine Texte in Form von erlebten Geschichten, Gesprächen, Begegnungen und seinen eigenen philosophischen Überlegungen verfasst. Diese liegen in Form eines Buches vor und sind ein wichtiger Teil seiner künstlerischen Umsetzung.

Zudem hat er grosse abstrakte Pastellbilder und kleinformatige Zeichnungen und Pastellbilder erschaffen. Die Ausstellung eröffnet atmosphärische Farbräume und ist sehr lebendig und vielfältig.

Besuch der Ausstellung mit meiner Klasse am 13. März 2020

Vorbereitung

Heute bin ich Lehrerin und zugleich Kunstvermittlerin. Das freut mich sehr. Gespannt und voller Vorfreude führe ich die Kinder noch im Schulzimmer in das Thema der Ausstellung ein. Bei den Vorbereitungen überlege ich mir, wie ich das GUTE LEBEN meinen 5./6. Klässlern nahe bringen könnte, so dass sie nicht in Oberflächlichkeiten hängen bleiben. Ich entscheide mich dafür, ihnen Begriffe vorzuschlagen, aus denen sie für sich die treffendsten auswählen können: SPIELEN, ANERKENNUNG, FREUNDSCHAFT, DANKBARKEIT, TRAUMBERUF,  MOTIVATION, GEBORGENHEIT, DAZUGEHÖREN, NEUES ENTDECKEN, NATUR, KREATIVITÄT, BEWEGUNG, MUSIK, ENTSPANNUNG, FREUDE, BEZIEHUNGEN, FREIHEIT….. Die Kinder können gut auf die Frage eingehen, was denn ein GUTES LEBEN für sie ausmacht. Dabei sind ihnen Aspekte wie Freundschaft, Bezieheung, Bewegung und Spiel besonders wichtig. Die Vielfalt und Lebendigkeit ihrer Ideen und Wünsche für ihr eigenes Leben berühren mich.

In der Ausstellung

Fredi Buchli erwartet uns bereits in der Stadtgalerie Baliere. Die Kinder sind sehr interessiert und aufmerksam dabei, als er von seinem Leben als Künstler und vor allem von seinem Projekt in Genua erzählt. Er liest ihnen die Geschichte CANI (Hunde) vor, und wir philosophieren darüber, ob denn ein Haustier wie Hund oder Katze auch zu einem GUTEN LEBEN gehört. Die Kinder sind sich da ziemlich einig; ein Leben mit Katze oder Hund sei doch einfach viel schöner, denn die Tiere sind wichtige Begleiter von uns Menschen.

Auch auf unser GUTES LEBEN kommen wir zu sprechen. Die Kinder äussern ihre Dankbarkeit dafür, in einem so reichen und sicheren Land zuhause sein zu dürfen. Viele haben einen Migrationshintergrund, und es ist für sie nicht selbstverständlich, ohne Krieg und Existenzsorgen zu leben.

Anschliessend führt uns Fredi Buchli mit viel Gespür für die Kinder an seine Werke heran. Da die meisten Bilder abstrakt sind und vor allem von der Atmosphäre leben, ist seine Kunst auf den ersten Blick nicht so leicht zugänglich. Es braucht ein Einlassen-Können auf diese tiefen Farbräume. Es zeigt sich jedoch einmal mehr, dass Kinder oft einen unverstellten Blick haben und sehr gut auf Unbekanntes eingehen können. Dabei ist es zentral, dass die Vermittlungsperson mit einer klar positiven Haltung, ohne zu werten und mit Begeisterung voran geht. Dann können neue Welten entstehen, der Horizont öffnet sich, und es wird spürbar, dass es nicht einfach darum geht, ob etwas gefällt oder eben nicht gefällt. Es geht tiefer. Was wird berührt in mir beim Betrachten? Welche Stimmungen spüre ich, welches Gefühl wird geweckt? Das muss auch nicht immer in Worte gefasst werden, es kann auch ganz still jeder für sich erahnen…

Fredi Buchli und ich sind uns darin einig, dass viele Kinder gut in diese Welt eintauchen können. Das spüren wir durch ihre wache Präsenz und durch ihr intensives Betrachten. Ein Fünftklässler meint, er habe bisher keinen Zugang zu Kunst gefunden, doch mit dem heutigen Morgen habe sich das verändert. Dafür bedankt er sich bei Fredi Buchli.

Unsere künstlerische Umsetzung

Wir brauchen fünf verschieden blaue, weisse und schwarze A6-Karten, die wir schon in der Schule bemalt haben. Der Künstler demonstriert, wie wir aus diesen blauen Karten eine Collage im Format A5 gestalten: Passende Farben auswählen, Formen ausschneiden und auf dem Blatt eine Anordnung gestalten, aufkleben. Inspiriert durch die Werke und durch die Präsenz des Künstlers zeigt das Resultat eine grosse Vielfalt und Gestaltungskraft. Genauso vielfältig sind die Kinder selbst in ihren Wesen. Wunderbar.

Abschluss

Zum Abschluss steht eine Frage: Wenn ich ein Kunstwerk wäre, welches wäre ich? Mit dieser Frage schicken wir die Kinder los. Ohne zu zögern finden sie das zu ihnen passende Bild und bleiben davor stehen. Ein Knabe, der vor einem transparenten wirkenden grünen Aquarell stehen bleibt, sagt: "Ich liebe die Natur. Und dieses Bild ist konzentrierte Natur für mich."

Text und Fotos: Barbara Wirz