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Einblick und Weitsicht

Einblick und Weitsicht

Ein Besuch des Kulturtages am Oberstufenzentrum Necker

20.08.2021 - Praxis

Bereits hundert Meter vor dem Schulhaus sind Trommelklänge zu hören, die aus der alten Turnhalle dringen, auf dem Schulhof sind Schülerinnen und Schüler mit ihren Handys und Spiegelplatten am Werk, beim Betreten des Schulgebäudes wird man von Jodelklängen aus dem Handarbeitszimmer begrüsst, das für diesen Tag als Proberaum dient. Das Oberstufenzentrum Necker führt zum ersten Mal den Kulturtag im eigenen Schulhaus durch. Sechs Workshops, die unterschiedlicher nicht sein können, standen den Jugendlichen zur Auswahl - je einer à 3h am Vormittag und einer am Nachmittag. Ihre Wahl haben sie mittels Prioritäten angegeben. Zuerst in den Kurs Handyfotografie? Oder doch lieber Tanzen? Wobei, die Schreibwerkstatt klingt auch sehr spannend…

Laut Martin Holenstein, Schulleiter am OZ Necker, haben sich bei der Auswahl einige Favoriten abgezeichnet. Weil die Schülerinnen und Schüler der 3. Oberstufe kurz vor dem Schulabschluss stehen und darum keinen weiteren solchen Kulturtag mehr erleben können, wurde bei der Einteilung darauf geachtet, dass die „Grossen“ ihre erste Auswahl besuchen konnten. Martin Holenstein ist erfreut und begeistert von dem, was die zwei Kulturverantwortlichen an seiner Schule, Rosa Fäh und Therese Vögtlin, organisiert und auf die Beine gestellt haben. Er geniesse es, dass für einmal die Kultur zu ihnen gekommen sei, statt dass sie – wie an vorherigen Kulturtagen – mit den Schulklassen zu Orten der Kultur reisen mussten. Ausserdem spare es Zeit. Zeit, welche die Schülerinnen und Schüler nun in den Workshops verbringen können, statt im Zug zu sitzen.

Und auch Therese Vögtlin ist mit dem Ergebnis der langen Planung sehr zufrieden: «Ich bin glücklich darüber, dass wir so engagierte Profis gewinnen konnten, um die Jugendlichen für verschiedene Kunst - und Kulturangebote zu begeistern! Dazu hat die vielfältige Vermittlungsplattform und Beratung von kklick wesentlich beigetragen.» Sie ist zudem dankbar für die finanzielle Unterstützung der kantonalen Kulturförderung, welche das OZ Necker für diesen Kulturtag erhalten hat. Ohne die wäre die Durchführung kaum möglich gewesen. Oder nicht in diesem Umfang.

Auf dem Gang ist ein Lehrerkollege damit beschäftigt, die filmischen und fotografischen Eindrücke des Tages zusammenzustellen und lässt sie auf einem grossen Bildschirm abspielen. Als Therese vorbeigeht, bedankt er sich bei ihr für den tollen Tag und das Erlebnis. Die Begeisterung der Lehrpersonen überträgt sich auch auf die Künstlerinnen und Künstler, welche an diesem Tag den Jugendlichen Einblick in die unterschiedlichsten Formen von Kultur geben. Ann-Katrin Cooper, die zusammen mit ihrem Mann Tobias Spori eine Gruppe von 20 Schülerinnen und Schüler in den Hip-Hop-Tanz einführt, betont, dass es immer spürbar sei, wenn die Lehrpersonen engagiert hinter einem solchen Unterfangen wie ebendiesem Kulturtag stehen, zum Beispiel im aktiven Mitwirken der Schülerinnen und Schüler im Workshop. Und es ist wirklich beeindruckend, welch komplexe Choreografie an diesem Vormittag in der neuen Turnhalle entsteht. Diese besteht aus Bewegungen, welche die jungen Tänzerinnen und Tänzer – einige davon das erste Mal mit Hip-Hop-Tanz konfrontiert – selber kreiert haben.

Die Vielfalt war den Organisatorinnen wichtig, ebenso der Einbezug lokaler Kultur. So steht neben der Trommelmusik mit Multiinstrumentalist Manuel Siebs auch Jodeln mit Ruedi Roth auf dem Programm. Ein Besuch im umfunktionierten Handarbeitszimmer zeigt: Viele der Schülerinnen und Schüler sind mit dem Naturjodel schon vertraut. Die Taler schwingen sofort ganz gleichmässig im Becken und als kurz vor Mittag das improvisierte Chörli singend aus dem Schulhaus zieht, klingt es wie an einer Alpstobete. Dass der zweite Bass mit dem Stimmbruch kämpft, ist für Ruedi Roth kein Problem. Dass sie ihre Stimmen spüren können, sei die Hauptsache, lacht er und freut sich, dass die Jungen mitmachen und sich aus der Reserve locken lassen. Das sei keine Selbstverständlichkeit.

Ob zu dieser Welt, zu der der Fotografie oder zur rhythmischen Welt der Djembe-Trommeln, die Kulturanbietenden sind sich einig: Ein solcher Tag schafft Zugang. Gibt Einblick. Ermöglicht Weitsicht. Beim gemütlichen Grill in der Mittagspause drehen sich die Gespräche unter ihnen um die Beteiligung der Jugendlichen, wie sie abgeholt werden können und dass der Abbau von Berührungsängsten nicht immer der Weg ist, sondern auch das Ziel sein kann. Für viele Lernenden sei das bereits ein grosser Schritt, bilanziert Theaterpädagoge Peter Rinderknecht den Vormittag.

Die Schülerinnen und Schüler sind ebenfalls begeistert. Die einen auch weil ein Workshop interessanter als die Französischstunde ist, die anderen, weil sie für den Fotografiekurs ausnahmsweise das Töffli in den Schulgarten fahren durften. Doch das Feedback geht auch darüber hinaus. Sie freuen sich ob der neuen Erfahrung, der Abwechslung, darüber, mal etwas ganz Neues ausprobieren zu können. Und vor allem: sie wünschen sich, dass es so einen Kulturtag jedes Jahr gibt.

Auch Therese Vögtlin möchte auf jeden Fall wieder einen Kulturtag durchführen. Und zwar auf die gleiche Art und Weise. Das Angebot der Workshops, sechs an der Zahl, für die 110 Schülerinnen und Schüler habe sich bewährt. Ausserdem ist sie überzeugt davon, dass sich die Vermittlung von Kultur am allerbesten über den direkten Kontakt mit Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur vertiefen lässt: „Die kreative und emotionale Kraft, die ein solcher Anlass auslöst, ebnet Zugänge zur Kunst, entkräftet Vorurteile und stärkt noch dazu ein offenes, aktives, begeisterndes Schulhausklima.“ Gerne teilt sie ihre Erfahrungen mit anderen Kulturverantwortlichen und Lehrpersonen, die sich für die Organisation eines Kulturtags an ihrer Schule interessieren. Den Kontakt vermittelt die kklick-Geschäftsstelle AR/SG.

Der Autor Stephan Sigg gab in seinem Schreibkurs den einfachen aber wichtigen Tipp: Der Anfang muss packen. Mit diesem abwechslungsreichen und spannenden Kulturtag ist am Oberstufenzentrum Necker nun der Anfang gemacht für eine Geschichte mit vielen weiteren Kulturtagen.