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Freiwillig unmündig?

Freiwillig unmündig?

Sprachkompetenz in Zeiten von KI

31.10.2025 - Aktuell

Geschäftsleute nutzen sie für ihre Korrespondenz mit Kund:innen. Studierende lassen von ihr ganze Masterarbeiten schreiben. Schüler:innen lesen nicht mehr selbst, sondern lauschen ihren Zusammenfassungen. Und angeblich, so behaupten es zumindest böse Zungen, gibt es bereits Lehrpersonen und Elternteile, die das Vorlesen zuhause oder im Klassenzimmer nicht mehr selbst praktizieren, sondern es tatsächlich abgegeben haben. An sie. Die KI.

KI-Tools, von ChatGPT über Google Gemini bis DeepSeek, prägen mittlerweile weite Teile unseres Alltags. Was das auf lange Sicht in allen Details bewirken wird, kann noch keiner genau einschätzen. Doch: Laut einer Studie aus dem Jahr 2024 werden Schüler:innen durch das Nutzen von KI-Tools zwar schneller mit Aufgaben fertig. Lernen tun sie aber kaum mehr etwas dabei.

Ins gleiche Horn bläst eine Studie des MIT Media Lab aus Boston vom Sommer 2025. Bei einer Untersuchung wurde sichtbar, dass die Gehirnaktivität junger Erwachsener dramatisch abnimmt, sofern sie beim Erstellen eines akademischen Textes KI-Tools zum Bewältigen der Aufgaben nutzen.

«copy/paste»-Mentalität

Und eine weitere Erkenntnis brachte die Studie zu Tage: User:innen werden bei häufigem Gebrauch von Sprach-KI-Tools immer passiver. Wo anfangs lediglich Hilfestellung beim Erarbeiten eines Textes gefragt war, rutscht der regelmässige User schnell in eine «copy/paste»-Mentalität. Der eigene Schreibprozess – und daran gekoppelt der gesamte sichere Umgang mit Wortschatz, Grammatik und Rechtschreibung – nimmt langsam aber stetig ab. Man könnte es auch so sagen: KI macht uns Menschen dümmer. Etwa im Bereich Sprachkompetenz. Wir versinken in eine sprichwörtliche Unmündigkeit und nehmen das auch noch freiwillig in Kauf. Autsch!

Sprache ist Freiheit

Dabei war der Mensch bislang stets um seine Sprache und den Verlust derselben besorgt. Zahlreiche Autor:innen, von George Orwell mit seinem Klassiker «1984» bis zu Siegfried Lenz im Roman «Der Verlust», schildern, wie katastrophal es sich anfühlt, der Sprache beraubt zu werden. Wie man seine Freiheit und Identität verliert.

Höchste Zeit für uns, nochmal in aller Vehemenz daran zu erinnern, dass Sprachkompetenz ein Privileg ist, das wir uns und den jüngeren Generationen nicht aus Bequemlichkeit von KIs klauen lassen dürfen. Ein Kurswechsel ist angezeigt. Das heisst nicht, KI zu verteufeln und sich vor ihr zu verschliessen. Es bedeutet aber, gewisse Dinge zu verstehen und sich kritisch damit auseinanderzusetzen: Zum Beispiel, dass KI uns, wenn wir sie zu einem Thema befragen, einen Zusammenfassungsbrei aus verschiedenen Quellen serviert, ohne die Besonderheit der einzelnen Texte zu reflektieren. Denn KI denkt nicht. Und sie verfügt über kein Wissen, sondern ist eine Maschine, die mit technischen Daten arbeitet, mit Wahrscheinlichkeiten.

Also: Wehren wir uns und setzen alles daran, Sprachkompetenz zu fördern, um – frei nach Kurt Tucholsky – «Sprache scharf zu halten»! Zu Hause aber auch im Unterricht. Die Möglichkeiten sind grenzenlos. Vorlesen ist eine. Zudem hat kklick weitere in petto, wenn’s um lustvolles Fördern von Sprachkompetenz und Sprachvermittlung geht. Formate wie «Literatur aus erster Hand», «Wir schreiben eine imaginäre Welt» oder «Bühnendichten – wo Poesie auf Prosa trifft» beispielsweise.

 

Quelle:
https://arxiv.org/pdf/2506.08872v1 (zuletzt abgerufen am 28.10.2025 um 17:46)
https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=4895486 (zuletzt abgerufen am 28.10.2025 um 17:58)