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Augen auf, Sinne an!

Augen auf, Sinne an!

Sechs Lieblingsstücke eröffnen neue Horizonte

18.06.2020 - Theorie

Thurgauer Köpfe in ihrer bunten Vielfalt, interpretiert in sechs verschiedenen Ausstellungen: Das Kooperationsprojekt «Thurgauer Köpfe: ein Thema – sechs Museen» von Museen Thurgau wagt einen neuen Blick auf den Thurgau. In jeder Ausstellung warten Objekte, Bilder und Geschichten darauf, von Schülerinnen und Schülern erforscht zu werden – denn sie bergen erstaunliche Geschichten und bieten überraschende Erkenntnisse. Die Vermittlungsverantwortlichen der beteiligten Museen haben ihr Lieblingsstück für kklick ausgewählt und präsentieren es in diesem Beitrag.

 

Ein Hochsicherheitstresor für Kaiserin Eugénie

Wer im 19. Jahrhundert auf Schloss Arenenberg lebt, wird streng überwacht. In einem Geheimdienstbericht von 1876 ist vermerkt: «Die wichtigsten Persönlichkeiten der Gegend sind: […] Merkle, Schlosser, Mechaniker, Maschinist […]». Eines der merkwürdigsten Objekte in der Ausstellung ist ein Tresor, den gerade dieser Schlosser Merkle eigens für Kaiserin Eugénie gebaut hat.

Es ist ein Schrank aus Stahl und Messing bekrönt mit einem «E». Hinter den beiden Fronttüren verstecken sich mehrere Schubladen und ein Spiegel. Auf einer kleinen Messingplakette steht: «Ihrer Majestät der Kaiserin Eugénie ehrfurchtsvoll gewidmet von I. M. Merkle, Schlosser in Salenstein».

Was diesen Tresor auszeichnet, ist der Geheimmechanismus zu dessen Öffnung: Dreht man am Schaft der rechten Säule, klappt die Abdeckung der Aussenschublade auf. Darin befindet sich der Schlüssel. Durch Knopfdruck dreht sich die rechte Scheibe mit dem Adler nach unten und macht das Schlüsselloch frei. Ganz schön ausgeklügelt für einen «Provinzschlosser»!

Museum: Napoleonmuseum Thurgau
Ausstellung: Thurgauer Köpfe – Eine Kaiserin bringt Kohle
Objekt: Persönlicher Tresor von Kaiserin Eugénie, 19. Jh.
Ausgewählt von:
Christina Egli, Leiterin Wissenschaft, Forschung, Sammlungen

 

Hölzernes Rätsel

Der Archäologe Karl Keller-Tarnuzzer gräbt 1944 mit internierten polnischen Soldaten die 5700 Jahre alte Pfahlbausiedlung Pfyn-Breitenloo aus. Dabei entdecken die Ausgräber ein zugeschnitztes Objekt aus Eichenholz. In einer Schulfunksendung vom 16. Mai 1945 erklärt der Grabungsleiter einer staunenden Schülerschar, um was es sich dabei handeln könnte. Es sei gemäss eines Soldaten eindeutig ein Fragment einer Wäschemangel, mit der man Leinenstoffe glätten konnte. Solche gäbe es in Polen in jedem Haushalt!

Ob wirklich ein jungsteinzeitliches Glättholz vorliegt oder ob das Fragment ursprünglich doch eine ganz andere Funktion hatte, kann aus heutiger Sicht nicht mehr so eindeutig gesagt werden. Bemerkenswert an diesem Eichenholz ist, dass es bereits vor 75 Jahren als didaktisches Objekt bei der Vermittlung diente! Und dazu gibt es sogar ein originales Tondokument.

Museum: Museum für Archäologie Thurgau
Ausstellung: Thurgauer Köpfe – Archäologe ohne Vergangenheit?
Objekt: Eichenholzfragment, ca. 3700 v. Chr.
Ausgewählt von: Urs Leuzinger, Leiter Museum für Archäologie

 

Reiseblogger der ersten Stunde

«Polarbärenfell, Walrossschädel, Lappenschuhe, …». Einkaufsliste, eine Rechnung, Zeitungsausschnitte und weitere vergilbte Papiere laden zum Blättern und Entziffern alter Hand- und Zeitungsschriften ein. Sie bezeugen umfangreiche «Souvenirkäufe» im norwegischen Tromsø um 1900. Käufer ist der Frauenfelder Arzt Elias Haffter jun. (1815–1909). Die Erlebnisse und Erkenntnisse seiner Reisen nach Lappland, China oder Indonesien teilt er in regelmässigen Beiträgen in der Thurgauer Zeitung und bietet Thurgauerinnen und Thurgauern einzigartige Einblicke in exotische Welten.

Heute ist das Bereisen der entlegensten Winkel der Welt nichts Besonderes mehr – und auch «Reiseblogs» gibt es wie Sand am Meer. Zu Haffters Zeiten jedoch, im späten 19. Jahrhundert,  ist dies nur wenigen Privilegierten vorbehalten. So stossen Haffters Berichte auf grosse Beachtung unter seinen Zeitgenossen. Sogar der Schriftsteller Gottfried Keller bedankt sich bei Elias Haffter für die exklusiven Schilderungen.

Museum: Historisches Museum Thurgau
Ausstellung: Thurgauer Köpfe – Tot oder lebendig
Objekt: Dokumente eines Einkaufs in Tromsø von Elias Haffter jun. (Faksimile, Original von 1899), Nachgedruckte Serie der Thurgauer Zeitung über Elias Haffters Reisen (Faksimile, Original von 1935)
Ausgewählt von: Melanie Hunziker, Leiterin Kulturvermittlung

 

Ein Thurgauer Kopf vom Polarkreis

Der Walrossschädel ist eines der eindrücklichsten Exponate in der Ausstellung des Naturmuseums. Schädel, d.h. die Knochen des Kopfs von Wirbeltieren, sind beim Thema «Köpfe» in einem Naturmuseum unumgänglich. Durch die genaue Betrachtung des mächtigen Schädels erkennen die Schülerinnen und Schüler, was einen Kopf biologisch kennzeichnet: es sind die Maulöffnung, die der Nahrungsaufnahme dient, sowie Strukturen, die zur Sinneswahrnehmung ausgebildet sind, beispielsweise die Augen- oder Nasenöffnungen.

Wie aber wird ein Walrossschädel zum «Thurgauer Kopf»? Das Objekt stammt aus der Sammlung des oben beschriebenen Elias Haffter, dem Besucherinnen und Besucher im Historischen Museum begegnen. Auf seinen Reisen im 19. Jahrhundert trug er vielfältiges Material zusammen, das die Natur in den bereisten Ländern anschaulich macht. Die Geschichte hinter diesem Exponat zeigt den Bezug zum Kanton auf. Damit erfahren die Schülerinnen und Schüler gleichzeitig etwas über Sichtweisen der Thurgauer Bevölkerung auf die Natur.

Museum: Naturmuseum Thurgau
Ausstellung: Thurgauer Köpfe – Einzigartig vielfältig
Objekt: Walrosschädel aus Norwegen (1899)
Ausgewählt von: Catherine Schmidt, Museumspädagogin

 

Wer zwei Mal hinschaut, sieht mehr

Eine unscheinbare Fotografie auf den ersten Blick – eine rätselhafte, kontraststarke Komposition beim zweiten Hinschauen. Von wem stammt das Foto? Was steht handwerklich dahinter?

Susi Iff-Kolb (*1932) besuchte die Fotofachklasse an der Kunstgewerbeschule Zürich bei Hans Finsler, einem Meister der Sachaufnahmen. Geprägt durch das «Neue Sehen» der 1950er-Jahre wird der Fokus in ungewöhnlichen Perspektiven auf Dinge gerichtet. Dabei ist es nebensächlich, welche Gegenstände dokumentiert sind. Wichtiger sind Linien, Formen und Kontraste, die in einer eigenen Bildsprache komponiert sind.

Das Werk von Susi Iff-Kolb ist beste Anregung, um sich mit Alltagsgegenständen (Dose, Zündhölzer, Bleistift, Vase, Hut usw.) oder ausgeschnittenen Objekten aus Zeitschriften gestalterisch zu betätigen. Anordnen, arrangieren, verschieben, den Raum definieren und dabei die Linien und Flächen in eine interessante Beziehung bringen – ein Spiel und Experiment, das die Wahrnehmung schärft und über Bildkompositionen kreative Erfahrungen ermöglicht.

Museum: Kunstmuseum Thurgau
Ausstellung: Thurgauer Köpfe – Frauen erobern die Kunst
Objekt: Fotografie von Susi Iff-Kolb, 1950
Ausgewählt von: Brigitt Näpflin-Dahinden, Leiterin Vermittlung

 

Jung, zielstrebig, innovativ

Wer ist dieser junge Mann? Was lässt sich aus dieser Darstellung lesen? Wie alt ist er, als dieses Foto entstand? Was wird einmal aus diesem Mann? Weshalb ist vieles über sein Leben von 1846–1938 bekannt?

Die Ausstellung im Ittinger Museum, «Thurgauer Köpfe – Ein Bankierssohn pflügt um», verweist mit dem Titel nicht nur auf die Herkunft eines besonderen Kopfes, sondern auch auf den jugendlichen Tatendrang von Victor Fehr. Anhand von ausgewählten Objekten, Dokumenten, Gemälden, Plakaten oder Fotografien sind die Stationen einer eindrücklichen Biografie nachgezeichnet. Beim Betrachten und Erkunden aus heutiger Perspektive wird klar: Eine solche Karriere lässt sich kaum wiederholen.

Wer noch nicht genug gesehen hat, sucht im grossräumigen Ittinger Museum weitere Spuren von Victor Fehr. Ein Fündigwerden ist garantiert!

Museum: Ittinger Museum
Ausstellung: Thurgauer Köpfe – Ein Bankierssohn pflügt um
Objekt: Der junge Victor Fehr, Fotografie, 1867
Ausgewählt von: Brigitt Näpflin-Dahinden, Leiterin Vermittlung