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Literatur aus erster Hand trotzt Corona

Literatur aus erster Hand trotzt Corona

25.06.2021 - Praxis

Ein Glück: Die Lesungen, Schreib- und Zeichnungswerkstätten konnten in diesem Jahr wieder stattfinden – Rund 600 insgesamt an über 200 Schulhäusern und Bibliotheken in der ganzen Ostschweiz. Ein noch grösseres Glück: Ich konnte im Rahmen meiner Intensivweiterbildung mehrere Lesungen vor Ort besuchen. Ob digital oder analog, sie waren allesamt eine Bereicherung für den Schulalltag und konnten die Schülerinnen und Schüler begeistern. Der Besuch eines echten Schriftstellers/einer echten Schriftstellerin sorgte für Aufregung und Abwechslung. Die Kinder bekamen einen Einblick ins Leben und Arbeiten einer Autor*in und wurden zum Lesen von Büchern und Schreiben einer eigenen Geschichte animiert.

Einmal war die Lesung vor Ort. Der Autor brachte Gegenstände mit, erzählte, zeigte seine Werke, las aus einem Buch vor, das er ausgewählt hatte, machte dies so spannend und quirlig, dass zum Schluss jedes Kind sein Buch zu Ende lesen wollte. Ein andermal wohnte ich einer Lesung über Zoom bei. Jedes Kind sass vor dem iPad im Schulzimmer mit der ganzen Klasse und war gefordert, sich nicht von den Bildern der anderen auf dem Bildschirm ablenken zu lassen, um der rasant vorgetragenen, spannenden Geschichte zu folgen. Die Autorin kannte ihr Buch fast auswendig, las spannend, gestikulierte. «Naomi, das ist eine gute Frage», so sprach sie alle mit dem Namen an, es hatten sich ja alle persönlich eingeloggt. Ich war erstaunt und beeindruckt, wie es einem Autor gelang, mit Mimik, Gestik und Rhythmisierung zwei Kindergartenklassen in einer Aula eine Stunde lang in Bann zu ziehen. In einer Oberstufenklasse erzählte eine Autorin vor Ort authentisch von ihrem Werdegang, ohne viel Firlefanz, mit eigenen Büchern auf dem Pult und einer Lesung aus einem Fantasiebuch, welches die ganze Klasse gleichermassen packte und mich dazu bewegte, das Buch zu kaufen und zu Ende zu lesen, obwohl ich sonst nie Fantasiegeschichten lese.  

Fazit: Egal in welchem Alter, Lesungen vermögen Kinder zu begeistern, lassen sie in Fantasien eintauchen und regen sie zum Lesen an. Egal in welcher Form die Lesung stattfindet, die Autor*innen schaffen es, die Kinder in ihren Bann zu ziehen und die Lust auf ihre Bücher zu wecken.

Ich weiss schon jetzt, dass es mir schwerfallen wird, mich im nächsten Jahr für nur eine Lesung in meiner Schulgemeinde zu entscheiden. Ich weiss auch, dass ich mich mit meiner Klasse darauf vorbereiten werde. Aufgrund der Erfahrungen bei den verschiedenen Lesungen habe ich festgestellt, dass die Spannung und Vorfreude grösser ist. Die Klasse stellt viel gezieltere Fragen, wenn sie sich im Vorfeld mit dem Anlass auseinandergesetzt hat, eventuell schon ein Werk gelesen hat und schon ein Bild der Autor*in vor Augen hat. Und ich weiss, dass ich mir die Zeit nehmen werde, die Lesung als Anlass für weiterführende Arbeiten zu nutzen. Dies könnte das Schreiben einer längeren Geschichte sein, das Lesen eines weiteren Werkes, das Verfassen eines Berichtes für das Gemeindeblatt oder die Schülerzeitung, das Besorgen von weiteren Büchern für die Bibliothek. Es könnte auch Anlass sein, dass die Kinder versuchen, Teile aus ihrem Lieblingsbuch ebenso spannend und lebendig der Klasse vorzutragen und so noch mehr Lesefreude bei sich und anderen zu entwickeln. Ich freue mich schon darauf!  

Cornelia Gerschwiler, Lehrerin und Kulturverantwortliche am Schulhaus Hermet in Tübach