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Abschlussprojekt neu gedacht: Wenn die Schulklasse zur Produktionsfirma wird

Abschlussprojekt neu gedacht: Wenn die Schulklasse zur Produktionsfirma wird

09.08.2022 - Praxis

Von Februar bis Ende Juni 2022 widmeten sich die zwei 6. Klassen der Primarschule Bazenheid ihrem Abschlussprojekt. Anders als in vorherigen Jahren studierten sie aber kein Theaterstück ein, sondern beschäftigen sich mit dem Medium Film. Sylvie Vieli, die von August 2019 bis zum Schuljahresschluss 2022 als Kulturagentin an der Schule wirkte, gab den Anstoss dafür, besagtes Abschlussprojekt neu zu denken. Ein Ausflug ins WOW-Museum in Zürich wurde als Anlass genutzt, um ein Thema zu finden, das die Schülerinnen und Schüler inspiriert. Deren Antwort war eindeutig: Film!

Zum Projekt dazu stiess also Theater- und Filmvermittler Tobias Stumpp und begleitete gemeinsam mit Sylvie Vieli die beiden Schulklassen im Prozess. Wohin dieser führen sollte? Darum ging es erstmal nicht. Das Filmen als solches stand im Vordergrund und nicht ein anzustrebendes Endprodukt wie ein fixfertiger Kurzfilm beispielsweise. So nämlich kommen die Ideen, Inputs und Wünsche der Schülerinnen und Schüler viel mehr zum Tragen, ist sich Tobias Stumpp sicher: «Ich wollte nicht herkommen und den Kindern sagen, so wir machen jetzt einen Film und das geht so und so. Was bewegt mich? Wo spüre ich Resonanz? Um diese Fragen geht es doch beim Schaffen von Kunst. Und Kinder sind ein wichtiger Teil der künstlerischen Gesellschaft.».

Bei einem Besuch in der Primarschule Bazenheid, nur wenige Wochen vor dem geplanten Schlussabend für Eltern und Geschwister, sind die Schülerinnen und Schüler der Klasse 6b in Kleingruppen im ganzen Schulhaus verteilt. Aus einem Kellerabteil klingt lautes Klopfen, dann ein Schrei, schliesslich Gelächter. Tobias Stumpp streckt den Kopf durch die Tür und fragt nach, wie es laufe. «Gut», meinen die drei Jungs, sind dann aber doch froh, als «Herr Tobi» ihnen zeigt, wie die Filmaufnahme noch etwas raffinierter gelingen kann. Sie soll nämlich Angst einjagen, schliesslich ist das Trio am Sammeln von Material für einen «Horror-Raum». Gleich nebenan, zwischen Regalen gefüllt mit Requisiten vom Krippenspiel, alten Terrarien und Velohelmen, kreieren zwei Jungen auf dem iPad Musik für eine spannende Szene. Im «Actionraum» soll bei Zuschauerinnen und Zuschauern das Gefühl von Spannung erzeugt werden. Wie das geht? «Wir sind am Ausprobieren», sagen die Jungs entspannt. Derweil schreibt eine Mädchengruppe den Drehplan für den «Waldfilm», an dem die ganze Klasse beteiligt ist, eine andere sucht das ganze Schulhaus ab nach geeigneten Sujets für Fotos, die Angst auslösen sollen.

Über mehrere Monate arbeiteten Sylvie Vieli und Tobias Stumpp mit der Klasse, setzten auf Partizipation und Selbstwirksamkeit im Prozess. Dieser wurde auch am Abschlussabend kurz vor den Sommerferien zum Thema gemacht: In unterschiedlichen Räumen waren verschiedene Aspekte rund um das Thema Film erlebbar. Nach dem Beiwohnen einer Filmpremiere im «Zombie-Raum» – natürlich nur gegen Vorweisung eines Kinobillets, wie es sich gehört – konnten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer danach in der «Maske» selbst als Zombies schminken lassen. Auch der Filmschnitt oder ein Actiondreh konnte live miterlebt werden. Die Klasse zeigte sich als Produktionsfirma.

«Wir haben die Kinder gefragt, was sie zeigen wollen. Wir spannen nun den Rahmen drumherum», sagt Sylvie Vieli. Die Mitte zu finden zwischen Freiraum fürs Ausprobieren sowie Experimentieren und angeleitetem Arbeiten empfindet Tobias Stumpp nicht als Schwierigkeit, sondern als Chance. Die Bedürfnisse seien zwar individuell, die Schülerinnen und Schüler liessen ihn es aber jeweils wissen. Oder spüren. «Genau um diese Verhandlungen geht es. Einfach ein Konzept durchboxen, daran bin ich nicht interessiert». Orientierung bieten, ohne den Schülerinnen und Schülern etwas überzustülpen – das erfordere immer wieder eine Überprüfung, fügt der Filmpädagoge an. Und schätzt hierfür besonders auch den Austausch mit der Kulturagentin. Die beiden sind quasi die Produktionsleitung in der Filmproduktionsfirma 6b, die unter dieser umsichtigen Führung ein Projekt durchführen konnten, das ihre Bedürfnisse und Interessen nicht nur ernst nahm, sondern diese auch in auf eine originelle Weise sicht- und erlebbar machte – in einem bewertungsfreien Rahmen und ohne Druck.