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Zwei Wochen Kulturluft schnuppern

Zwei Wochen Kulturluft schnuppern

Einblick in die Sonderwochen Kultur der GBS

03.12.2021 - Aktuell

Das Gewerbliche Berufs- und Weiterbildungszentrum St.Gallen (GBS) führt jeden Herbst im Rahmen des Allgemeinbildenden Unterrichts (ABU) die Sonderwochen Kultur durch. Während 10 Tagen haben die Lernenden die Möglichkeit, an verschiedensten Workshops teilzunehmen. Eine Möglichkeit, die auch dieses Jahr rege und gerne genutzt wurde. kklick stellt jeweils das Workshop-Programm zusammen. Eine Zusammenarbeit, die sich bewährt hat und geschätzt wird: «Die Arbeitsaufteilung zwischen dem GBS ABU-Kernteam und kklick ist optimal gelöst. kklick erstellt das Programm mittels ihren Kontakten zu den Kulturanbietenden und wir vom GBS ABU-Kernteam machen das Anmeldeprozedere mit den Lehrpersonen und Klassen», sagt Andrea Sarow, verantwortlich im ABU-Kernteam für die Sonderwochen Kultur.

Die Kultursonderwochen unterstreichen, dass kulturelle Bildung nicht mit der Volksschule abgeschlossen ist, sondern auch in der Berufsbildung verankert sein sollte, um Lernenden eine ästhetische Erfahrung ausserhalb ihres gewohnten Arbeits- und Lernumfeldes zu ermöglichen. Dass die Lernenden während der Unterrichtszeit die Gelegenheit haben in kulturelle Anlässe hineinzuschnuppern und teilweise selbst dabei aktiv werden können, ist dem ABU-Kernteam am GBS wichtig: «Das ist gerade für diejenigen unter ihnen, die sonst – aus den verschiedensten Gründen – keinen Zugang zum kulturellen Angebot haben sehr wertvoll. Die Lernenden schätzen das Angebot in der Regel sehr, weil es ihnen eine Abwechslung zum Schulalltag bietet.»

Obwohl die unsichere Lage durch die Corona-Pandemie die Zusammenstellung des Angebots beeinflusste – so lag der Fokus u.a. auf Angeboten im Freien – stand eine breite Palette an Workshops zur Auswahl. Vom Architekturrundgang durch die Stadt über Trommeln in einer alten Turnhalle bis zum Ausstellungsworkshop im Kunstmuseum. Auf welchen Workshop die Wahl der jeweiligen Lehrpersonen fiel, hatte unterschiedliche Beweggründe. Nicht selten war diese auch vom Stundenplan abhängig.

Barbara Köppel besuchte mit ihrer Klasse, bestehend aus angehenden Polygrafen und Polygrafinnen den Rundgang «Vom Jugendstil zum neuen Bauen» mit Nina Keel. Einerseits, weil der Inhalt des Angebots mit aktuell im Unterricht behandelten Themen zusammenpasste, andererseits um den Lernenden Abwechslung zu bieten. Zuweilen müssen diese zu ihrem Glück gezwungen werden, fügt Barbara Köppel augenzwinkernd hinzu und merkt an, dass sie gerne noch viel öfters kulturelle Anlässe mit den Lernenden besuchen würde und darum die von der GBS gestellten Möglichkeiten dieser Sonderwochen besonders schätzt. Die Abwechslung scheint den Teilnehmenden zu gefallen. Aufmerksam folgen sie den Ausführungen von Nina Keel, diskutieren die Unterschiede von alten Aufnahmen der Gebäude und Plätze, vor und auf denen sie stehen und keine drei Minuten vergehen, bis die erste weiterführende Frage gestellt wird. Auf dem Weg zwischen den Standorten streut die Kunsthistorikerin immer wieder kleine Wissensbrocken ein und macht auf interessante architektonische Details aufmerksam. Bei der Betrachtung von Bauten im Stadtraum und der Diskussion ihrer Entwicklung tauchen unweigerlich Aspekte des Lebensumfeldes auf, eine Brücke, die Nina Keel bewusst schlägt. Eine Brücke, die zu begehen augenmerklich auch die Lernenden einlädt, plötzlich werden unterwegs lebhafte Gespräche zu lebensfreundlicher Umgebungsgestaltung und Lebenssinn im Allgemeinen geführt.

Der Kontrast zum normalen Unterricht war auch für Reto Künzli bei der Wahl des Workshops für seine Klasse ausschlaggebend. Die 16 angehenden Sanitärinstallateure haben sich im Raum für Literatur für den Improtheater-Workshop bei Tinu Keller von Improgress eingefunden. Nach anfänglichem Zögern schwingen sie das imaginäre Samuraischwert für eine Aufwärmübung. Wenngleich er die Wahl ohne seine Schüler zu fragen getroffen hat, Reto Künzli ist überzeugt: «Innerlich feiern sie es. Zumindest mehr, als sie es gegen aussen zeigen können.» Lautstark üben sich die jungen Männer in spontaner Synchronisation, kreativ fällt bei allen der Theaterfreeze aus. Einzig das improvisierte Darstellen einer ganzen Szene gestaltet sich noch etwas harzig. Den Kopf ausschalten anstatt mit imaginären Schwertern abschlagen ist offensichtlich eine grössere Herausforderung.

Das reflektierte Denken für einen Moment aus- und dafür das intuitive Betrachten einschalten sollen auch fünf Jugendliche, die mitten in der Ausbildung zu Bäcker*in/Konditor*in stecken. Mit kleinen Zeichenblöcken und Bleistiften umgehen sie den Broderbrunnen, halten mal hier einen Schnörkel, mal da eine Brunnenfigur zeichnerisch fest. Danach bespricht Claudia Hürlimann vom Kunstmuseum mit ihnen die entdeckten Details. Interaktiv und lebendig gestaltet sie den Rundgang zu Kunst im öffentlichen Raum. Ein Raum, der an diesem Dienstagvormittag kalt und regnerisch ist. So sind alle froh um die Bewegung auf dem Weg zum nächsten Standort. Wiederum ein Brunnen, doch ganz anderer Natur. Die Jugendlichen hören zum ersten Mal vom Roman Signer, analysieren auch hier das Kunstwerk intuitiv und mittels freien Assoziationen sehr genau. Ebenso neugierig steigen sie danach die Treppen im nahegelegenen Geschäftsgebäude hinauf, um die Quelle der Wassertropfen zu finden, die ebenfalls zu einem Kunstwerk von Signer gehören. Als «mal etwas anderes» und für «sehr speziell» halten sie das Kanu, welches von der Decke hängt und Wassertropfen durch in Boden, respektive Decken führende Rohre vier Stockwerke hinunterschickt. Ihr Lehrer, Urs Lauber freut sich, dass seine Schülerinnen und Schüler so aktiv Kultur erleben und entdecken.

Viel zu entdecken gab es auch während der Filmlesung von Thomas Binotto, wenn auch nicht in der Stadt sondern auf der Leinwand. Filmgeräusche, unterhaltsame Dialoge und das typische Lachen, das man von Sitcoms kennt, dringen aus dem Klassenzimmer K.254 im Gebäude der GBS beim Riethüsli. Unter dem Titel «Serienhunger» geht Thomas Binotto mit einer Klasse von angehenden Grafikerinnen und Grafikern der Frage nach, wie Fernsehserien funktionieren. Dass Serien in der Antike gründen, in welcher Herkules 12 Heldentaten vollbringen musste, oder dass Charles Dickens grosser Erfolg seines Folgeromans aus der Not geboren war, weil er mit dem Schreiben der Geschichte im Rückstand war, gehören zu den spannenden Hintergrundfakten, welche Thomas Binotto enthusiastisch und anschaulich erklärt. Er fordert die Netflix-versierten auf zu diskutieren, ob ihre Lieblingsserien wohl zu den vertikalen oder doch eher zu den anthologischen Erzählformen gehören. Ansonsten ist die Klasse ruhig. Und sichtlich interessiert. Lehrerin Bettina Wollinsky hatte bei der Wahl des Workshops mitbedacht, dass der Inhalt auch etwas mit der Fachrichtung der Klasse zu tun hat. Sie scheint den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben.

Auf welche Art auch immer die Lernenden der GBS Kultur während den Sonderwochen erlebten, verschiedenste Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken werden hängen bleiben. Auch das ABU-Kernteam ist überzeugt, dass das Kulturerlebnis den Lernenden in Erinnerung bleiben wird und sie eventuell sogar in der Zukunft dazu motiviert, aktiv am Kulturleben teilzunehmen.