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Scheinwerfer auf die zehnten Schultheatertage Ostschweiz: 2. Akt

Scheinwerfer auf die zehnten Schultheatertage Ostschweiz: 2. Akt

15.03.2024 - Aktuell

Auf dem Weg zum Auftritt auf der grossen Bühne und vor Publikum werden Lehrpersonen, die mit ihren Schulklassen an den Schultheatertagen Ostschweiz teilnehmen, von Theaterfachleuten unterstützt. Die theaterpädagogische Begleitung umfasst zehn Lektionen und besteht sowohl aus Probebesuchen als auch aus beratenden Gesprächen. Diese Tandem-Arbeit ist ein fundamentaler Aspekt des Projektes. Ebenso wichtig ist aber: Stück und Inhalt sollen von den Schülerinnen und Schülern stammen.

Stefan Ryffel, Lehrer an der Primarschule Nordstrasse in Amriswil, nimmt dieses Jahr bereits zum vierten Mal mit einer Schulklasse an den Schultheatertagen teil: «Mir ist es wichtig, dass man am Schluss merkt, dass das Stück vor allem von den Kindern entwickelt wurde.» Die Schülerinnen und Schüler seiner 5. Klasse haben sich dieser Aufgabe mit viel Begeisterung angenommen und viele Ideen zum diesjährigen Thema «abundauf» entwickelt. Dieses soll – ebenso wie die Leiter als vorgegebener Gegenstand – gleichermassen Leitplanke und Sprungbrett sein. Und springen tun sie, die Schüler:innen von Stefan Ryffel: von Idee zu Idee, von Figur zu Figur, von einer imaginierten Welt in die andere. Mal dient die Leiter als Übergang in eine Wolkenwelt, dann treffen Kauderwelsch redende Wesen aufeinander, von denen sich die einen unter der Leiter verkriechen. Die Proben sind lautstark, lebendig und bewegt.

Tipps und Tricks von Profis
Ein wenig Ordnung in das kreative Chaos bringt Theaterpädagogin Irène Trochsler, welche für Stefan Ryffels Klasse die «Geburtshilfe» hin zum 30-minütigen Aufritt auf der grossen Bühne leistet. Dazu gehört es auch, den Schüler:innen beim Loslassen zu helfen. Nicht nur loslassen von Hemmungen beim Theaterspielen, sondern manchmal auch loslassen von den Ideen. Denn nicht alle Geschichten, Einfälle und ausgedachte Figuren können am Ende zum Stück gehören. Eine Form zu finden, welche der Vielfalt an unterschiedlichen und eigenwilligen Ideen Raum bietet und möglichst von allen Kindern getragen wird, kann herausfordernd sein, mache die Arbeit aber auch spannend, sagt Irène Trochsler.

In diesem Prozess hin zu einer Form, die schlussendlich auch für ein Publikum verständlich und interessant sein soll, helfen unter anderem theatrale Mittel wie der Freeze, verlangsamtes Spielen in Zeitlupe, die Pantomime oder auch die Kraft der leisen Töne im Theater. Im Spieleifer kippen die improvisierten Szenen der 5.-Klässler:innen zuweilen in die Übertreibung. Genau hier kommt die Erfahrung der Theaterpädagogin zum Tragen, deren Tipps und Tricks Stefan Ryffel schätzt. Auch um Klarheit in die Spiellust zu bringen auf dem Weg zum eigenen Theaterstück: «Schön ist es, dass ich immer nachfragen kann bei der Theaterpädagogin, wenn ich alleine nicht weiterkomme.».

Wenn die Chemie stimmt
Eine gute Zusammenarbeit braucht eine genaue Abstimmung und dies wiederum eine gute Kommunikation. Zum Beispiel darüber, was die Lehrperson selbst an die Hand nehmen kann, will und als Projektleitung auch muss. Die Frage, in welchen Bereichen die Lehrperson ihre Unterstützung braucht, stellt sich gemäss Irène Trochslers Erfahrungen im Verlaufe des Projektes immer wieder: «Je genauer ich weiss, was eine Lehrperson und die Klasse aktuell gerade brauchen, desto konkreter kann ich ansetzen, mit den Schüler:innen etwas ausprobieren und/oder Inputs geben.».

Ungefähr auf der gleichen Wellenlänge zu sein helfe bei der Zusammenarbeit, sagt Stefan Ryffel und hat selbst immer nur gute Erfahrungen in diesen Tandems gemacht. Eine gute Chemie zwischen Lehrperson und Theaterpädagog:in – meistens sei dies der Fall, aber nicht immer, wie das Leitungsteam der Schultheatertage Ostschweiz im Einführungsworkshop anmerkte. Wenn die Chemie gar nicht stimme, können Teams auch ausgewechselt werden. Es komme aber nur selten vor.

Keine Auswechslung nötig ist ganz augenscheinlich im diesjährigen Tandem von Schauspielerin Diana Dengler und Lehrerin Judith Tobler, die im Notkerschulhaus in St.Gallen unterrichtet. Sie nimmt zum ersten Mal an den Schultheatertagen teil und ist froh über die Begleitung durch die routinierte Theaterschaffende. Wie Irène Trochsler ist auch Diana Dengler von Anfang an bei den Schultheatertagen Ostschweiz dabei. Zum dritten Mal bei der Schulklasse im 7. Schuljahr zu Besuch, unterstützt sie die Schüler:innen bei der Ausarbeitung der Szenen, welche Lehrerin Judith Tobler aus den vielen Improvisationen der Jugendlichen ausgewählt und in eine Reihenfolge gebracht hat: «Die Themen kommen alle von den Schüler:innen, ich bin für den Überblick zuständig und habe sie in eine Ordnung gebracht.»

Das «abundauf» im Leben – und auf der Probe
Alle Szenen drehen sich um die Frage, wann das Leben ein «ab» und wann ein «auf» ist. Die Geschichten und Figuren sind nah am Erleben der Jugendlichen, es geht um Gruppendruck, Mobbing im Sport, um Streit in der Familie, um Sucht und Jugendgewalt. Ähnlich wie beim Besteigen einer Leiter, beginnen die Szenen «unten», um dann zu einem positiven Ende zu finden. Wie aber kommt es zu diesem? Und wie zeigt sich das auf der Bühne?

Während die Schüler:innen in kleine Gruppen aufgeteilt an den Szenen basteln, Spielabläufe entwickeln und sich Dialoge ausdenken, gehen Diana Dengler und Judith Tobler umher, beobachten, hören zu, sind mal Zuschauerin mal Aushilfsspielerin und geben Tipps.

Judith Tobler greift hierfür auch auf die theatertechnischen Kniffs zurück, welche teilnehmende Lehrpersonen im Einführungsworkshop erhalten haben und im bereitgestellten Handout beschrieben sind. So werden Szenen zurückgespult und mit einem anderen Ausgang nochmals gespielt, Beginn und Ende der Szenen mit einem Klatschen angezeigt und pantomimisches Spiel in die Übergänge eingebaut.

Wenn sie selbst nicht weiterkommt – weil beispielsweise wenn Schüler:innen sich dem Spiel verwehren – ist Judith Tobler froh, dass Diana Dengler eine andere und eigene Herangehensweise hat und als «Aussenstehende» vielleicht leichter Zugang findet als sie als Klassenlehrerin. Eine Herangehensweise, welche Diana Dengler den Bedingungen der Schulklasse Jahr für Jahr anpasst, je nach Schulstufe aber auch Schulhaus und Sozialisierung. Nicht immer sei Auswendiglernen und exaktes Wiederholen von festgelegten Szenen das Richtige.

Vorbereitung auf Lampenfieber und Applaus
Als Schauspielerin legt Diana Dengler auch Wert darauf, die Schülerinnen und Schüler auf den Auftritt als krönenden Abschluss der Schultheatertage vorzubereiten: «Viele Schüler:innen, auch solche die während den Proben mit viel Elan dabei sind, bekommen kurz vor Schluss plötzlich Schiss». Sich selbst sein, ist ihr Rezept. So plädiert sie auch mal dafür, dass die Spieler:innen beim Auftritt vor den anderen teilnehmenden Schulklassen nicht zwangsläufig Kostüme tragen müssen, sondern ihre eigenen Kleider, in denen sie sich wohl fühlen. Die Infrastruktur, welche das Format der Schultheatertage Ostschweiz den Schulklassen für ihren Auftritt bietet – die grosse Bühne, professionelle Technik und Licht – schätzt sie ganz besonders. «Die Schulklassen und ihre selbst entwickelten Theaterstücke werden damit ernst genommen».

Was ein solcher Auftritt bei Schülerinnen und Schülern auslösen kann, das hat auch Stefan Ryffel bereits mehrfach miterlebt: «Dieses Erlebnis mit Lampenfieber, Applaus und dem Geniessen weiterer Stücke lässt sich nicht simulieren.». Sich zu zeigen, auf einer Bühne zu stehen und teilweise über den eigenen Schatten springen zu müssen, davon profitieren alle, ist er überzeugt.

Genau davon wird dann ein dritter und abschliessender Beitrag dieses dreiteiligen Berichts zu den 10. Schultheatertagen Ostschweiz erzählen. Fortsetzung folgt…